WAGNER: Tristan und Isolde – Wem nie aus Liebe Leid geschah

  • Das berühmte 'Wähnen'. Aber was genau meinte er denn damit? Die Erlösung von den 'Turbulenzen des Lebens' oder nicht vielleicht auch nur ganz bieder, dass er nun endlich erreicht hat, was er immer anstrebte.

    Weder noch. Das Wort »Wahn« wird von Wagner sehr oft als Synonym (oder, wenn man so will, als psychologisches Pendant) zu Schopenhauers »Willen« verwendet. Dieser führt laut Schopenhauer bekanntlich zur Fortdauer des Lebens, dass dann eben »Wahn« ist, und wenn er zur Ruhe gebracht wird, hört auch dieses Leben auf. Der Spruch am Portal des Hauses ist mithin gleichzeitig eine Verkleinerung und Vergrößerung dieses Gedankens, der den Eintritt ins Haus poetisieren soll.


    Klar ist, dass 'Erlösung' in seinen Opern eine große Rolle spielt. Aber wohl auch oftmals aus sehr egoistischen Motiven nach dem Motto: Die Welt ist es mir schuldig, dass ich nun von meinen Leiden und Qualen erlöst werde, damit ich nun der Welt meine Heilsbotschaft endlich verkünden kann.

    Ich finde, solche Behauptungen sollte man sehr gründlich belegen. Sonst sind sie nichts als böswillige Unterstellungen, die als Argument von sehr geringem, wenn nicht unvorhandenem Wert sind. Ich sage allerdings voraus, dass der Versuch, diese Aussage zu belegen nicht von Erfolg gekrönt sein wird.

  • Sorry, ich klinke mich hier ein, ohne alle Beiträge gelesen zu haben.

    Das berühmte 'Wähnen'. Aber was genau meinte er denn damit? Die Erlösung von den 'Turbulenzen des Lebens' oder nicht vielleicht auch nur ganz bieder, dass er nun endlich erreicht hat, was er immer anstrebte. Die großbürgerliche Villa, die vermeintliche Anerkennung, das Residieren als 'Komponistenfürst', die Hülle aus der heraus er seine Ideen mit dem entsprechenden Background verbreiten kann, die Behaglichkeit, der Luxus? Oder vielleicht auch nur ein wenig 'Einschleimen' bei seinen Geldgebern?

    Ich würde diesem Satz nicht zu viel Bedeutung zumessen. Klar ist, dass 'Erlösung' in seinen Opern eine große Rolle spielt. Aber wohl auch oftmals aus sehr egoistischen Motiven nach dem Motto: Die Welt ist es mir schuldig, dass ich nun von meinen Leiden und Qualen erlöst werde, damit ich nun der Welt meine Heilsbotschaft endlich verkünden kann.

    :wink: Wolfram

    :D das gefällt mir, was Du da schreibst. Klar, diese Seite von Wagner ist sehr offensichtlich......aber:

    Ich tendiere schon, die Menschen auch zu etwa 50% ernst zu nehmen, besonders in dem, was sie schriftlich in einem Format von sich geben , was auch bestehen bleiben soll, wie das mit Wagners Schriften war. Natürlich ist so etwas auch immer nur ein Schnappschuss eines "Moments" in dem Leben eines Autoren. Wenn man allerdings Elemente davon in grossen Werken, wie den Opern wiederfindert, dann werden diese Aussagen für mich schon mehr als nur eine momentane Laune.

    Interessant ist was Du mit Egoismus und Erlösung ansprichts. Sicher ist das bei Wahnfried auch auf seine eigenen Umstände bezogen.
    Aber in seinen Schriften, wenn man sie enrst nehmen möchte, kommt hier der Aspekt des "Mitleids" in die Diskussion. Die wahre "Erlösung" ist nicht auf ein Individuuum beschränkt, auch nicht im Sinne Wagners ( +,Schopenhauers, Buddhismus und aller Weltreligionen). Ein Individuum kann nur wahrhaftig erlöst werden, wenn diese Erlösung allgemeingültig und allgemeinnnützig ist. Die Grenzen zwischen Ich und Nicht-ich werden verwischt. Das "ich " gibt es nicht mehr, bzw es gibt es nur noch als Komponente des sehr viel grösseren Nicht- ichs.

    Wie kommt man da hin? Durch Mitleid. Dieses Mitleid spielt bei Wagner interessanterweise auch im Tristan eine Rolle, denn man kann die angebliche Liebe, die Isolde schon in der Vorgeschichte fürTristan empfindet, so deuten, dass sie eigentlich aus Mitleid heraus in ihr entsteht. Das ist auch sehr in Wagners Sinn, wenn man seine Schriften gelesen hat, und deutet dann darauf hin, dass Tristan und Isolde nicht nur eine Liebesgechichte sein soll, sondern die Konzepte, die besprochen werden, allgemeingültig übertragbar sein sollen. Im Tristan ist auch Kurwenal jemand, der eigentlich sehr aus Mitleid heraus, welches sich dann als Liebe/Treue manifestiert, motiviert wird. Marke zeigt auch sehr viel Mitleid und wird ja gerade dadurch so edel. Erst nimmt er den Jungen aus Mitleid auf, dann ringt er sich aus Mitleid dazu durch, dass T / I zusammenkommen dürfen. Mit anderen Worten, Mitleid, Lebe und Erlösung sind voneinander abhängigö das eine geht ohne das andere nicht.


    Um auf das Wähnen einzugehen:
    Wagner schreibt etwas sehr interessantes über den Wahn , ich glaube in "Religion und Kunst" Es ist nicht auf seinem Mist gewachsen, sonderne wieder auf dem des "Philosophen", wie er ihn nennt.
    Was er da sagt, passt sehr gut auf die momentane Corona Krise. :versteck1: .

  • Was deutet denn darauf hin, dass die Liebe, die vor dem Vorfall auf dem Schiff besteht, eine »angebliche« ist? Dass man mit entsprechenden Verrenkung irgendetwas irgendwie deuten kann (vor allem, wenn man alle Punkte, die dieser Deutung widersprechen, kurzerhand ausblendet), besagt ja nicht, dass diese Deutung plausibel ist. Um das zu zeigen, ist es wohl nötig, auf die Punkte zu verweisen, die die Deutung stützen. Ich kenne keinen, der darauf verweist, dass die Liebe zwischen Tristan Isolde vor dem Vorfall auf dem Schiff nicht bestanden hat, aber eine ganze Menge, die das Gegenteil zu belegen scheinen, wie zum Beispiel das, was sie selbst darüber sagen. (Von dem, was die Musik dazu sagt, will ich gar nicht erst reden,es gibt ja Leute, die rundweg bestreiten, dass die Musik etwas sagen kann und ihr lediglich die Aufgabe der Stimmungsverstätkung zuweisen wollen.)

  • Weder noch. Das Wort »Wahn« wird von Wagner sehr oft als Synonym (oder, wenn man so will, als psychologisches Pendant) zu Schopenhauers »Willen« verwendet. Dieser führt laut Schopenhauer bekanntlich zur Fortdauer des Lebens, dass dann eben »Wahn« ist, und wenn er zur Ruhe gebracht wird, hört auch dieses Leben auf. Der Spruch am Portal des Hauses ist mithin gleichzeitig eine Verkleinerung und Vergrößerung dieses Gedankens, der den Eintritt ins Haus poetisieren soll.

    Ist das tatsächlich so? Der "Grimm" kennt Wahn und Wähnen als "erwartung, hoffnung, verdacht, meinung, unsichere annahme, einbildung u. s. w". Verwendet das Wagner tatsächlich abweichend vom normalen Sprachgebrauch seiner Zeit?
    Und ehrlich gesagt, verstehe ich es auch nicht. Wenn Wagner "Wahn" als synonym zu Schopenhauers Willen verwendet, und dieser Wille bei Schopenhauer DIE universale Kraft ist, die alles kontrolliert, aber völlig grundlos, vollkommen frei und nicht den Gesetzen von Raum, Zeit und Kausalität unterworfen ist: Wie kann dann dieser Wille (= Wahn bei Wagner) "Frieden" finden, auch noch versehen mit einem Possessivpronomen? Das Leben an sich, bzw. das, was wir davon wahrnehmen ist natürlich "Wahn", bei Grimm syn. "Einbildung", bei Schopenhauer "Vorstellung". Der Wahn wäre doch dann das, was uns der Wille vorspiegelt und nicht der Wille selbst?

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Wahn

    Gerade mal gezählt: Wenn ich es richtig sehe, taucht das Wort "Wahn" (einschl. "wähnen", "wahnlos" u.ä.) im Tristan insgesamt 22mal auf. Ich mag mich da grad nicht weiter vertiefen, deshalb nur soviel: Vermutlich hilft es weiter, diese 22 Stellen anzusehen und dann zu versuchen, die Bedeutung vonr "Wahn" einzugrenzen. Wohl nicht ganz einfach, denn bei Wagner muß man nach meiner Erfahrung immer auf Mehrdeutigkeiten gefaßt sein.

    Erwähnenswert natürlich auch der sog. "Wahn-Monolog" aus den Meistersingern.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Und ehrlich gesagt, verstehe ich es auch nicht. Wenn Wagner "Wahn" als synonym zu Schopenhauers Willen verwendet, und dieser Wille bei Schopenhauer DIE universale Kraft ist, die alles kontrolliert, aber völlig grundlos, vollkommen frei und nicht den Gesetzen von Raum, Zeit und Kausalität unterworfen ist: Wie kann dann dieser Wille (= Wahn bei Wagner) "Frieden" finden, auch noch versehen mit einem Possessivpronomen?

    Da steht allerdings, »wo mein Wähnen Frieden fand«, nicht »wo mein Wahn...« Das Wähnen eines bestimmten Individuums ist etwas anderes als der Wahn ganz allgemein. Abgesehen davon ist das therapeutische Ziel der Philosophie Schopenhauers die Beruhigung oder auch das Verlöschen des Willens (zum Leben).

  • Rohe Leidenschaft......passt für Dich nicht zu Wagner? Vielleicht verstehst Du etwas anderes unter roher Leidenschaft. Aber so erstmal bin ich erstaunt........also, bei Lohengrin und Parsifal würde ich noch am ehesten die Leidenschaft bändigen, aber auch die Ortrud und selbst Amfortas im 1. Akt sind doch extrem leidenschaftlich in ihrem Ausdruck.

    Worüber ich gestolpert bin, ist das "roh" - diese Leidenschaften sind doch alle höchst artifiziell, in Ausdruck und, nun ja, Motivation... Auch in ihrer Verwickeltheit in komplizierte Gebilde aus gesellschaftlichen Strukturen alles andere als einfach (was ich bei "roh" irgendwie mit assoziiere).

    Zufriedenes Leben .... Wie wir wissen, war Wagner als Person extrem erregbar. Sein Leben war deshalb voller Turbulenzen. Gerade deshalb hat er sich nach einem ruhigen Leben sehr gesehnt. Nicht umsonst steht auf seinem Haus in Bayreuth "Hier wo mein Wähnen Frieden fand".
    In seinen Opern geht es eigentlich oft um Erlösung. Man fragt sich, Erlösung von was eigentlich? Das kann man in seinen Schriften lesen und das würde ich empfehlen, um dieses Steckenpferd Wagners zu verstehen. Ist wirklich interessant. Aber warum war Erlösung so ein grosses Thema für Wagner? Ich meine, weil er selber für sich und für "die Gesellschaft" danach suchte. Das ist eindeutig, wenn man seine Schriften liest. Ich finde aber das Wort oder das Konzept der "Erlösung" etwas religiös belastet und heutzutage nicht mehr besonders salonfähig. Ich habe mir deshalb erlaubt es mit "zufriendenem Leben" zu übersetzen.

    nun ja.. Für uns als mal sagen postmoderne User aller möglichen esoterischen oder religiösen Traditionen der Welt mag das so hinhauen mit dem "zufriedenen Leben" als Ziel der Erlösung, aber das ist schon sehr bescheiden gedacht und vermutlich nicht Wagners Intention, oder sollte ich mich da täuschen?

    Ich meinte ganz und gar nichts Innerseelisches oder sonst irgendwie Innerliches. Wo es keine Seele gibt, kann auch von Innerseelischem keine Rede sein.

    meinetwegen. Irgendwas im Gefühlsleben wird es schon sein, jedenfalls, und das ist für mich der Grund, diese Begriffe gewählt zu haben, kein äußeres Geschehen, denn von der rein äußerlichen Handlung her liegen da am Ende paar Leichen rum mit teilweise verklärtem, Moment: "WIE verklärtem" Ausdruck. Daß das für den Kern der Sache keine Rolle spielt, sehe ich ja ein, aber deswegen ist es ja mMn auch halbwegs korrekt, davon zu sprechen, dass die entscheidenen Dinge hier "innerlich" geschehen. So nennt man das in unserer Kultur nun mal, wenn äußerlich nicht viel geschieht, auch wenn es im Buddhismus nichts "Innerliches" geben mag. Vielleicht mag man noch von der reinen Innertlichkeit eines einzelnen Subjektes das immerhin "Transpersonale" (nicht nur) dieser Liebe unterscheiden - sie erleben ihre Auflösung ja in einer Art Gegenseitigkeit und Bezogenheit (vermutlich auch nicht wirklich buddhistisch, diese Art "Erlösung" in der persönlichen Liebe).

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Es ist ja auch keine Erlösung in der persönlichen Liebe. Es ist vielmehr die Erlösung vom Persönlichen, um die Satzstruktur aufzugreifen. Wenn es keine Person gibt, gibt es auch nichts Persönliches. Wenn es also am Ende überhaupt noch um Liebe gehen sollte (ich wage, da Zweifel anzumelden, finden jedenfalls keinen Hinweis darauf in Text, Musik uind szenischen Vorgängen), wäre es also keine persönliche. Buddhistisch ist das Aufgehen im »Weltatem« freilich vor allem deshalb nichts, weil dieser »Weltatem« etwas Existierendes ist, sozusagen das einzige, was wirklich existiert (Brahman oder eben – ātman, etymologisch mit »Atem« eng verwandt). Im Buddhismus gibt es kein Atman, keine Idee eines ewig und allumfassend Existierenden (was freilich nicht heißt, dass alles Nichts sei). Also nicht Atman, sondern anātman. Insofern passt das nicht, ist aber deswegen nicht unlogisch oder falsch.

  • Da steht allerdings, »wo mein Wähnen Frieden fand«, nicht »wo mein Wahn...« Das Wähnen eines bestimmten Individuums ist etwas anderes als der Wahn ganz allgemein. Abgesehen davon ist das therapeutische Ziel der Philosophie Schopenhauers die Beruhigung oder auch das Verlöschen des Willens (zum Leben).

    schon klar. Wähnen ist das Verb zum Wahn, auch im "Grimm". Du schriebst nur:

    Zitat

    Weder noch. Das Wort »Wahn« wird von Wagner sehr oft als Synonym (oder, wenn man so will, als psychologisches Pendant) zu Schopenhauers »Willen« verwendet.

    als Erläuterung zum Spruch über dem Haus Wahnfried. Heißt ja auch so. Das habe ich nicht verstanden. In Wille und Vorstellung ist der Wille das allgemein waltende Prinzip. Hab' ich da was übersehen?
    Ist aber egal. Nebenkriegsschauplatz zum Tristan und Isolde-Thema.

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • schon klar. Wähnen ist das Verb zum Wahn

    Nein, nein. Es ist sie substantivierte Form des Verbs. Und während der Wahn (Wille) unpersönlich ist, erfordert »wähnen« als Verb und damit auch die substantivierte Form ein Subjekt, das da wähnt. Wichtig ist aber, dass es in diesem Satz nur ein Verb gibt (Frieden). Eben dieses findet das Wähnen, nicht der, der wähnt.

    Zu dem möglichen Missverständnis: Die Frage war, was mit »Wahn« gemeint sein kann. Die Antwort ist: Was Schopenhauer »Wille« nennt, allerdings mit einem Akzent auf dem psychologischen Aspekt. Allerdings kommt »Wahn« in dem Satz nicht vor, sondern »Wähnen« ... usw. So war es gemeint, vielleicht war ich nicht präzise genug.

  • Nur noch mal zur Erläuterung: Wenn ich Wähnen mit Erwartung, Begierde, „Wollen“ übersetze, dann bin ich cum grano salis bei der Interpretation von Wolfram, von der Du aber sagst, dass sie unzutreffend ist. „Wollen“ ist aber nicht das, was Schopenhauer als Willen bezeichnet, würde aber schlüssig sein. Das hat mich irritiert. Vielleicht ist es ja nur ein Hermeneutk-Problem. Und damit bin ich auch schon wieder weg.

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Ein Tip: Was mit dem Wort »Wahn« gemeint ist und wie es in Wagners Begriffswelt mit Schopenhauers »Willen« zusammenhängt, kann man sehr gut dem sogenannten »Wahn-Monolog« in den »Meistersingern« entnehmen. (Um das Missverständnis auszuschließen: Wahn n´bedeutet eher etwas halluzinieren, sich täuschen, aber auch blinde Wut, und Handeln aus dieser heraus. Das Wort betont also die Blindheit des Willens – und ist dafür in einem künstlerischen Zusammenhang tatsächlich besser geeignet als Schopenhauers Begriff, der viel unschuldiger klingt und erst der Erläuterung bedürfte. Dass »Wahn« nicht den gesamten Bereich umfasst den »Wille« bezeichnet, ist richtig, aber Wagner hat anscheinend nicht alles gebraucht. Dass er die Differenz nicht bemerkt hat, würde ich nicht unterstellen, ehe es nicht klar erwiesen ist.)

  • Ich sage allerdings voraus, dass der Versuch, diese Aussage zu belegen nicht von Erfolg gekrönt sein wird.

    Dann brauche ich es ja auch nicht zu versuchen. :D

    Ich bin großer Anhänger seiner Musik und seiner Opern, aber weit davon entfernt ihn als Lichtgestalt auf ein Podest zu stellen. Ich gehe da sehr konform mit Thomas Mann ('Der schnupfende Gnom aus Sachsen mit dem Bombentalent und dem schäbigen Charakter', wobei ich den ersten teil des Satzes so nicht sagen würde.) und gerade weil Wagner in sehr vielen Bereichen seinen 'schäbigen Charakter' bewiesen hat, sind auch für mich seine Gedanken und Ideen in anderen Bereichen nicht plötzlich hehr und edel.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Ich tendiere schon, die Menschen auch zu etwa 50% ernst zu nehmen, besonders in dem, was sie schriftlich in einem Format von sich geben , was auch bestehen bleiben soll, wie das mit Wagners Schriften war.

    Ich will auch gar nicht abstreiten, dass Wagner die Motive, die du ihm zuschreibst auch hatte, vielleicht dies für ihn auch das Entscheidende war. Aber bei jeder Handlung spielen so viele andere Schichten mit und ich glaube auch, dass auf Wagner genau wie auf die allermeisten Menschen zutrifft, was Tennessee Williams mal gesagt hat: 'Mendacity is a system we live in.' Wobei auch das kein bewusster Vorgang sein muss. Was man aber, nur als Beispiel, im Moment der Besitznahme der Villa nicht unterschätzen darf, ist seine ja nun wirklich vorhandene Eitelkeit, sein Werdegang aus kleinen Verhältnissen und das Bewusstsein, dass sein Name und sein Werk ihn (wohl) überleben wird, also der Gedanke an die Nachwelt. Alleine das mag ihn unbewusst bei der Namensfindung mit gesteuert haben.

    Marke zeigt auch sehr viel Mitleid und wird ja gerade dadurch so edel. Erst nimmt er den Jungen aus Mitleid auf, dann ringt er sich aus Mitleid dazu durch, dass T / I zusammenkommen dürfen. Mit anderen Worten, Mitleid, Lebe und Erlösung sind voneinander abhängigö das eine geht ohne das andere nicht.

    Schön, dass du auf den Mitleidsgedanken bei ihm verweist. Allerdings bin ich mir nicht sicher, dass der hier greift. Ich glaube die Haltung, die Marke einnimmt, entstand eher aus einem Wunschdenken Wagner heraus, den eigenen Ehebruch letztlich dann doch sanktioniert zu bekommen.

    Wagner als Person steckt ja eigentlich in allen seinen Opern, hier dann als Tristan, aber hat er sich da porträtiert oder hat er eher den Wunsch, den Traum von sich selber gezeichnet. Ich denke, eher letzteres.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Abgesehen davon ist das therapeutische Ziel der Philosophie Schopenhauers die Beruhigung oder auch das Verlöschen des Willens (zum Leben).

    Aber du willst mir doch nicht sagen, dass Wagner das mit dem Fertigstellen der Villa nun angestrebt hat.

    nun ja.. Für uns als mal sagen postmoderne User aller möglichen esoterischen oder religiösen Traditionen der Welt mag das so hinhauen mit dem "zufriedenen Leben" als Ziel der Erlösung, aber das ist schon sehr bescheiden gedacht und vermutlich nicht Wagners Intention, oder sollte ich mich da täuschen?

    Man kann, glaube ich, Wagner vieles unterstellen, aber Bescheidenheit mit Sicherheit nicht. ^^ Für ihn war die Villa äußeres Zeichen, dass er es geschafft hatte und Ausgangspunkt für künftige 'große Streiche' :ironie1: , zu denen dann ja v.a. die Festspiele gehörten.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Nein, nein. Es ist sie substantivierte Form des Verbs. Und während der Wahn (Wille) unpersönlich ist, erfordert »wähnen« als Verb und damit auch die substantivierte Form ein Subjekt, das da wähnt. Wichtig ist aber, dass es in diesem Satz nur ein Verb gibt (Frieden). Eben dieses findet das Wähnen, nicht der, der wähnt.

    Kommt aufs gleiche hinaus:
    "Wo mein Wähnen Frieden fand."
    Das Wähnen findet Frieden, das ist richtig. Aber wessen Wähnen ist es denn?
    Wagners natürlich, sagt er ja: Mein Wähnen.

    iIch habe es gefunden: Wagner spricht von Wahn in "Über Staat und Religion". Hier ist der Wahn als eine Art Selbstbetrug , dem sich Individuen aus Selbsterhaltungstrieb unterziehen, zu verstehen. Man kann diesen Wahn ausnutzen, wenn man weiss wie. Wagner bringt dann auch Beispiele. Davon spricht Sachs in seinem Wahn Monolog hier: wie auch @Argonaut und andere schon sagten:


    "...
    jetzt schaun wir, wie Hans Sachs es macht,
    dass er den Wahn fein lenken mag,
    ein edler Werk zu tun:
    denn lässt er uns nicht ruh'n,
    selbst hier in Nürenberg,
    so sei's um solche Werk',
    die selten vor gemeinen Dingen
    und nie ohn' ein'gen Wahn gelingen."


    (Um das Missverständnis auszuschließen: Wahn n´bedeutet eher etwas halluzinieren, sich täuschen, aber auch blinde Wut, und Handeln aus dieser heraus.

    genau......und deshalb finde ich es schon angebracht zu sagen, dass für Wagner ein wesentlicher Schritt Richtung "Erlösung" auch etwas mit Befrieden oder wenigstens edel motiviertem Steuern des Wahns zu tun hat.

    Für Wagner war zB Patriotismus ein Wahn. Kaum zu glauben.....aber steht in Über Staat und Religion.

  • Zwei aktuelle Hinweise zu Wagners "Tristan":

    In diesem Sommer gibt es in Bayreuth bei den Festspielen nicht nur die nachgeholte Neuinszenierung des "Ring", die ursprünglich für die aus bekannten Gründen dann ausgefallenen Festspiele 2020 geplant war, sondern als Eröffnungspremiere auch eine Neuinszenierung von "Tristan und Isolde". Mich hat das ein wenig gewundert: Die letzte Neuproduktion (von Katharina Wagner) ist erst sieben Jahre her, da wäre eigentlich noch keine neue Produktion dran. Als Regisseur ist dieses Jahr der mir gänzlich unbekannte Roland Schwab angesetzt, als Dirigent Cornelius Meister. Den Tristan soll Stephen Gould geben, der in der Rolle auch schon 2015 dabei war, die Isolde Catherine Foster, deren in der Rolle ungewohnt junge und schlanke Stimme mich als Brünnhilde sehr beeindruckt hat. In den weiteren Hauptrollen: Ekaterina Gubanova, Markus Eiche und Georg Zeppenfeld.

    Aufführungsdatenbank - Bayreuther Festspiele
    www.bayreuther-festspiele.de

    Außerdem erscheinen im nächsten Monat zwei neue, hochkarätig besetzte Aufnahmen des "Tristan":

    In Berlin 2018 standen unter Daniel Barenboim Andreas Schagerl und Anja Kampe in den Titelrollen auf der Bühne, außerdem Stephen Milling, Boaz Daniel und die auch in Bayreuth als Branhgäne angesetzte Ekaterina Gubanova. Im Wiener Mitschnitt von 2013 sind mit Nina Stemme die Isolde schlechthin unserer Tage und Peter Seifert in den Titelrollen zu hören, dem diese Rolle noch in seiner Wagner-Diskographie fehlte, wenn ich das richtig sehe und den ich zwar im jugendlich-dramatischen Fach sehr, sehr schätze, im hochdramatischen aber überhaupt nicht einschätzen kann. Als König Marke wie in Berlin Stephen Milling, in den Rollen der beiden Dienstboten Jochen Schmeckenbecher und Janina Baechle.

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • Mich hat das ein wenig gewundert: Die letzte Neuproduktion (von Katharina Wagner) ist erst sieben Jahre her, da wäre eigentlich noch keine neue Produktion dran. Als Regisseur ist dieses Jahr der mir gänzlich unbekannte Roland Schwab angesetzt,

    Lieber "Cherubino",

    nach dem, was ich darüber gehört habe, wurde diese Neuproduktion des "Tristan" vor allem wegen der unklaren Corona-Situation angesetzt (die Entscheidung dazu fiel ja schon im Herbst/Winter). "Tristan" ist nun mal eine Oper, die fast völlig ohne Chor auskommt, die Herren im 1. Akt sind nicht handlungsrelevant und können notfalls aus dem Off singen, der 2. und 3. Akt sind völlig chorfrei. Und so ist diese Produktion mit ihren so wenig angesetzten regulären Vorstellungen als "Reinschmeißerstück" geplant, falls wegen Corona die großen Choropern nicht gespielt werden können. Momentan sieht es eher so aus, als wenn das nicht nötig sein wird, aber man weiß ja nie.

    Roland Schwab ist schon seit vielen Jahren gut im Geschäft, ich habe sein Berliner "Tiefland" gesehen und mich danach bewusst gegen seinen Berliner "Don Giovanni" entschieden, obwohl dieser nun schon seit vielen Jahren an der DOB läuft.

    Entschuldige bitte die entstandene Verwirrung, aber das mit dem letzten Beitrag war in der Tat nur auf die Ukraine-Rubrik bezogen. :wink:

    Beste Grüße vom Stimmenliebhaber

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