Weinberg, Mieczysław (1919-1996) - Ein Komponistenportrait

  • Mittlerweile hat Chandos eine weitere CD mit Weinberg-Sinfonien veröffentlicht:

    Ganz besonders freue ich mich natürlich darüber, dass hier mit der Dritten eine Weinberg-Sinfonie eingespielt wurde, die vorher wirklich noch völlig unerschlossen war: weder auf CD noch auf LP veröffentlicht, und auch von irgendwelchen inoffiziellen Mitschnitten weiß ich nichts. Das gilt ebenfalls für das zweite Werk auf dieser CD: Olympia hatte seinerzeit zwar eine CD mit Suiten aus dem Ballett "Der goldene Schlüssel" im Sortiment, die aber aus der Suite Nr. 4 nur einen kurzen Ausschnitt enthielt (dafür die ersten drei Suiten komplett – die gesamte vierte Suite passte wohl nicht mehr auf die CD).

    Selbstverständlich habe ich mir die CD in der Zwischenzeit gekauft (bis Mittwoch ist sie übrigens noch zum reduzierten Sonderpreis zu haben!), und bin erneut sehr angetan. Weinbergs Dritte Sinfonie entstand in den Jahren 1949/50, einige Jahre später hat er noch einmal einige Revisionen durchgeführt. Nun sind die Jahre nach dem bekannten ZK-Beschluss von 1948 über Formalismus in der Musik usw. bis etwa Mitte der 1950er Jahre vermutlich die Periode in der sowjetischen Musikgeschichte, in der der Einfluss der Politik auf die Musik am unmittelbarsten spürbar ist.

    Auch in Weinbergs Sinfonie Nr. 3 hat diese Situation ihre Spuren hinterlassen: ein recht konservatives Werk, das auf Folklore (aus Polen und Weißrussland) zurückgreift. Trotzdem bleibt Weinberg authentisch, seinem eigenen Tonfall treu, und komponiert ein niveau- und geschmackvolles Werk, dessen Grundstimmung im Übrigen ohnehin eher gedeckt ist (Haupttonart ist h-moll). Der erste Satz zeichnet sich unter anderem durch eine gleich zu Beginn vorgestellte murmelnde Bewegung in den Violinen aus. Vor diesem Hintergrund entwickelt sich ein Sonatenallegro mit sehr einprägsamer Thematik (die teilweise auf Volksliedern beruht). Am Ende lässt Weinberg den musikalischen Fluss in einer ruhigen und langsamen Coda zum Stillstand kommen.

    Es folgt ein kurzes folkloristisch dominiertes Scherzo sowie ein dunkler, ebenso lyrischer wie ausdrucksvoller langsamer Satz in c-moll, dessen atmosphärische Dichte mir besonders gut gefällt. Das Finale schließlich ist bei aller Eingängigkeit und Entschlossenheit ein m. E. bemerkenswert grimmiger Satz, jedenfalls kein plakativ-optimistischer Abschluss, den man in einer sowjetischen Sinfonie dieser Zeit vielleicht vermuten könnte. Erst kurz vor Schluss bewegt sich die Sinfonie dann doch auf eine Aufhellung hin, aber ein Rest an Ambivalenz bleibt letztlich bestehen.

    Meiner Meinung nach hat Weinberg hier eine sehr hörenswerte und attraktive Sinfonie komponiert, und es ist wirklich ausgezeichnet, dass sie nun endlich auf Tonträger erhältlich ist.

    Sehr gut hat mir auch die Ballettsuite gefallen, was mich etwas überrascht hat, weil der Funke von der oben genannten Olympia-CD (die ich natürlich auch habe) bisher noch nicht so richtig übergesprungen war. Aber das ist ohne Zweifel charmante, gut gemachte und einprägsame Musik, die als solche wirklich Spaß macht. Schade nur, dass die CD bloß 50 Minuten Spieldauer hat!

    Interessant finde ich übrigens, dass die neuen Weinberg-Veröffentlichungen von Chandos nun alle von Thord Svedlund dirigiert werden. Ob Gabriel Chmura ganz aus der Serie heraus ist? Wie auch immer, so kann's weitergehen... Und vielleicht haben wir in absehbarer Zeit ja doch endlich alle Weinberg-Sinfonien auf CD vorliegen.

    Viele Grüße
    Holger

  • Zum Abschluss der heutigen Gedenkstunde im Bundestag, nach Marcel Reich-Ranickis beeindruckender Rede, wurde eine Sonate für Violine und Klavier von Weinberg gespielt (leider wurde ausgeblendet). Musik so aufwühlend wie die Rede.

    maticus

    "http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video1051952.html"

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    Ich lieb‘ den Schlaf, doch mehr noch: Stein zu sein.
    Wenn ringsum nur Schande herrscht und nur Zerstören,
    so heißt mein Glück: nicht sehen und nicht hören.
    Drum leise, Freund, lass mich im Schlaf allein.
                       --- Michelangelo Buonarroti (dt. Nachdicht. J. Morgener)

  • Ein äußerst lohnendes Werk ist das Concertino für Violine und Streicher - nicht zu verwechseln mit dem von Carsten und Holger schon erwähnten, mehr als zehn Jahre später entstandenen Violinkonzert. Das 1948 entstandene, bis vor wenigen Jahren als verschollen geltende Stück mußte lange auf seine Veröffentlichung warten: Erst 2007 erschien es im Druck. Im Sommer 2010 entstand dann die erste und bisher wohl einzige Einspielung des Werks auf CD mit Sergey Ostrovsky und dem Bournemouth Symphony Orchestra unter Thomas Sanderling. Für mich klingt diese Aufnahme interpretatorisch und auch aufnahmetechnisch sehr überzeugend (die beiden anderen Konzerte von J. Conus und vor allem von Arensky sind übrigens auch nicht zu verachten).

    Das dreisätzige, nur knapp 20minütige Werk beginnt mit einem sehr einprägsamen, melancholisch-herben Hauptthema der Sologeige, aus dem sich das gesamte Material des Kopfsatzes entwickelt. Auf den bittersüß-schwelgerischen Mittelsatz folgt ein allegro moderato-Finale, dass zwar in tänzerischem Rhythmus daherkommt, dessen Melodik jedoch meist traurig und sehnsuchtsvoll mit gelegentlichen Momenten einer eher stillen Heiterkeit bleibt.

    Ein klassisches Virtuosenstück bekommt man hier sicher nicht zu hören - der Grundcharakter des Concertino ist eher lyrisch-verträumt; der Solist stimmt eher einen Sprechgesang auf der Geige an als dass er ein spieltechnisches Feuerwerk veranstaltet. Die einprägsame Melodik des Werks und seine Ausdruckskraft nehmen jedoch sehr für sich ein. Auf jeden Fall kann man hier für wenig Geld bei Naxos eine sehr lohnende Entdeckung machen.

    Zuletzt soll sich auch Gidon Kremer des Concertinos angenommen und es mehrfach aufgeführt haben.

    Cheers,

    Lavine :wink:

    “I think God, in creating man, somewhat overestimated his ability."
    Oscar Wilde

  • in Gohrisch 2012

    Hallo,

    bei den 3. Internationalen Schostakowitsch Tagen Gohrisch 2012 vom 28.-30.September 2012 in Gohrisch bildet die Musik von Weinberg einsch Schwerpunkt mit zahlreichen Aufführungen:

    - Mieczysław Weinberg: Streichquartett Nr. 3 op. 14, Deutsche Erstaufführung (28.09.)

    - Mieczysław Weinberg: Streichtrio op. 48 (29.09.)

    - Mieczysław Weinberg: Concertino für Violine und Streichorchester op. 42 (30.09.)
    - Mieczysław Weinberg: Rhapsodie über Moldawische Themen op. 47/1 (30.09.)

    und

    Vortrag
    „Shostakovich and Weinberg: a Dialogue“ (29.09.)

    Michelle Assay (Paris) und David Fanning (Manchester)
    In englischer Sprache mit simultaner Übersetzung ins Deutsche

    "http://www.schostakowitsch-tage.de/festival/festivalprogramm/"

    Gruß petit_concours

    W o h n z i m m e r w e t t b e w e r b:
    Petit concours à la maison... (S. Richter, 1976)

  • Gohrisch

    Ich war in Gohrisch dabei (leider nur die ersten beiden der drei Tage). War sonst noch jemand von hier da? Es war sehr interessant. In mehrfacher Hinsicht.

    Um mich hier auf Weinberg zu beschränken: äußerst interessant war der Vortrag von David Fanning und seiner Frau Michelle Assay. Sie schreiben gerade an einem sehr ausführlichen Werk über Weinberg, auf das man sicher gespannt sein darf. Schon das erste Buch von Fanning über Weinberg ist sehr lesenswert. In dem Vortrag ging es insbesondere um die Freundschaft und musikalische Beziehung zwischen Weinberg und Schostakowitsch.

    Beeindruckend waren die Musikbeispiele. Z. B. wo sie sich gegenseitig beeinflusst haben. Z. B. Schostakowitsch mit "Babi Yar". Einige Monate später stellte Weinberg seine 6. Sinfonie fertig, deren 4. Satz eine deutliche Ähnlichkeit aufweist. Allerdings gibt es schon von Weinberg ein früheres Stück, indem ein ähnliches Thema bereits vorkommt (habe momentan nicht parat, welches, liefer ich nach). Jedoch, wenn man weiter zurückschaut, entdeckt man in Schostakwoitschs "Lady Macbeth", dass Katerina in einer Arie ein sehr ähnliches Thema singt.

    Oder ein anderes Beispiel: Das 13. Streichquartett von Schostakowitsch (1969/70). Dies hat einen gespentischen Mittelteil (für mich so eine Art Danse Macabre), der mich immer sehr fasziniert. Dieser erscheint unverkennbar, allerdings in aufgeheiterter Stimmung, bereits in Weinbergs Oper "Die Passagierin" (1968), wo das "gespenstische" Klacken eher die Interpretation eines Fingerschnippens eines Bandmusikers hat. (Habe mir die Blu-ray bestellt, bin gespannt.)

    :wink: maticus

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  • Gohrisch 2012

    Ich war in Gohrisch dabei (leider nur die ersten beiden der drei Tage). War sonst noch jemand von hier da? Es war sehr interessant. In mehrfacher Hinsicht.

    Ich war nur Samstagvormittag dort und damit zum wohl einzigen Konzert dieses Jahr ohne ein Stück von Weinberg oder DSCH. Aber Rzewski bildete da natürlich eine interessante Verknüpfung und wann kann man dieses Werk schon einmal so im Konzert hören (ich damit meine ich natürlich nicht die technischen Pannen...)

    :wink:
    Gruß petit_concours

    W o h n z i m m e r w e t t b e w e r b:
    Petit concours à la maison... (S. Richter, 1976)

  • Heidelberg, 4.-6.7.2014

    Anfang April führt das Quatuor Danel in Utrecht neun Weinberg-Quartette an drei Abenden auf [...]

    Das Quatuor Danel setzt sich immer noch unermüdlich für Weinberg ein: Im Juli gibt es an einem einzigen Wochenende die Streichquartette Nr. 1-17, in Heidelberg: "http://www.kammermusik-heidelberg.de/programm.php".

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Die Werke Weinbergs haben m.E. das Potential, aus der Geheimtip-Ecke herauszukommen: Schostakowitsch, dem Weinberg kaum nachsteht, geht gut, Jüdisches wie Klezmer geht gut, da müßte doch auch für Weinberg eine Marktlücke sein, die uns hoffentlich weitere Einspielungen und Aufführungen beschert.

    Die Aufführungen von Weinberg-Opern im letzten Jahr in Karlsruhe und Mannheim sind in den Medien sehr stark herausgestellt worden (hier im Forum leider nicht).

    Für das Herauskommen aus der "Geheimtip-Ecke" spricht auch das Weinberg-Engagement Gidon Kremers. So hat er bei Konzerten mit Martha Argerich u.a. in Berlin und München, die allein schon durch das Zusammenwirken dieser beiden Musiker ein großes Echo hervorgerufen haben (hier im Forum leider nicht), Weinbergs fünfte Violinsonate aufgeführt. Und er hat mit seiner "Kremerata Baltica" eine Doppel-CD mit Werken Weinbergs herausgebracht:


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Ich habe Karten für das Konzert am 02. März in der Berliner Philharmonie reserviert und freue mich schon riesig, denn das DSO wird unter ihrem Chefdirigenten Tugan Sokhiev die 4. Symphonie von Weinberg geben.
    "http://www.berliner-philharmoniker.de/konzerte/kalender/details/17758/"
    - das Werk, mit dem ich überhaupt Musik von Weinberg kennenlernte (in der fabelhaften Einspielung unter der Fuchte von Kondrashin).

    Die 4. scheint eine von Weinbergs kürzeren Symphonien zu sein und neben der 6. Symphonie vielleicht auch eine seiner stärksten, so weit ich das einzuschätzen vermag.
    Wer youtube nicht scheut, dem sei hier die Einspielung unter Katowice und dem National Polish Radio Symphony Orchestra anempfohlen.

    "

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    "

    Auch die Kondrashin-Aufzeichnung ist auf dem Portal gelandet, allerdings sollte man vielleicht doch nicht auf den Bildschirm starren, es könnte vom Bildmaterial in die Irre führen:
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    Wie gesagt: die Vorfreude ist groß. :juhuu:

    "Gar nichts erlebt. Auch schön." (Mozart, Tagebuch 13. Juli 1770)

  • Ich habe in letzter Zeit ein paar mal die Achte gehört:

    Ich finde sie insgesamt sehr schön. Besonders schön ist der Satz "Mutter", der mich atmosphärisch einerseits an "Rezitativ und Romanze" aus Schostakowitschs Zweitem Streichquartett erinnert und andererseits an Britten (obwohl ich von ihm kaum etwas kenne). Orchestral hervorstechend ist der Satz "Lehrstunden (Lessons)" (schön, fast etwas verstörend, ganz am Ende das tiefe Blech an Chopins Trauermarsch aus der B-moll Sonate erinnernd), der ein wenig auch an das Scherzo der Sechsten Sinfonie erinnert:

    wobei ich letzteres sehr prokofjewsk finde. Die Sechste ist ja nicht nur durch die zeitliche Nähe affin zur Dreizehnten von Schostakowitsch, wobei der Charakter durch den Knabenchor natürlich ein ganz anderer ist als der mit den Bassstimmen.

    Ich mag diese beiden Sinfonien. Dennoch, persönlich finde ich diese beiden Sinfonien Weinbergs nicht so mitreißend wie vergleichbare Schostakowitschs. Weinbergs Musik enthält meines Erachtens weniger "dramatische Gewalt", auf der anderen Seite auch weniger Ironie, und das motorisch-rhythmische ist bei Weinberg weit weniger ausgeprägt. Seine Scherzi klingen manchmal ein bischen schwerfällig und rhythmisch nicht so "rund" wie bei Schostakowitsch. Ich kann nicht bewerten, ob das stilistische Absicht ist oder eine tatsächliche Unbeholfenheit des Komponisten an solchen Stellen. Letzteres will ich mir aber keineswegs anmaßen, zumal ich es für quasi undenkbar halte. Egal, ob man es positiv oder negativ bewertet, Weinbergs Musik ist m. E. kaum auf "Effekte" aus, bzw. liegen diese eher im Stillen. Man vergleiche etwa den ersten (instrumentalen) Satz der Sechsten mit dem ersten Satz von Sch.s Dreihzehnter. Ich finde beide sehr schön, aber die Dramatik könnte bei beiden kaum unterschiedlicher sein. Es scheint, als wenn Weinberg gänzlich auf einen "Höhepunkt" verzichtet, die Spannungskurve ist deutlich linearer. Das gilt fast für die ganze Sinfonie (die Sechste). Es passt natürlich besser zu dem Konzept des Knabenchors, der ja (immer) eine gewisse "Unschuld" vermittelt.

    maticus

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  • meine Favorits von Weinberg sind die Streichquartette, was dank der großartigen CPO-Einspielung einem auch wirklich nicht schwer zu hören gemacht wird :D

    Vom Violinkonzert op. 67 gabs mal eine CD in Italien von Arlecchino: Leonid Kogan spielte das mit dem USSR State Symphony Orchestra unter Gennady Rozhdestvensky live im Konzert in den frühen 1960ern. Ich hatte bei dieser CD dereinst im Urlaub wegen der Koppelung von Schostakowitschs Konzert mit Kondrashin zugeschlagen.
    :wink:

    Freunde solcher Musik sollten vor allem auch Boris Tischtschenko und und Alexander Lokschin entdecken, die ich persönlich beide noch interessanter finde als Weinberg :wink:

    Gruß a.b.

    ----

    In der Musik geht es nicht um Perfektion, sondern um die Freiheit, zu zeigen, wer man wirklich ist.

  • Sehr empfehlenswert ist die rein instrumentale 12. Sinfonie, komponiert 1975/76 zum Gedenken an D. Schostakowitsch.

    Die Sätze und Spielzeiten:
    1. Allegro moderato 20:40
    2. Allegretto 8:20
    3. Adagio 11:06
    4. Allegro 17:13

    Stilistisch hat sie m. E. wenig mit den Sinfonien Schostakowitschs gemein, sie ist schon sehr eigenständig. Besonders beim ersten Satz muss ich häufiger an Strawinskis neoklassizistische Sinfonien (in C, in drei Sätzen) denken. Alle vier Sätze haben glänzende Höhepunkte zu bieten. Anspielungen auf Schostakowitsch (der Widmung gemäß) höre ich nur wenige. Z. B. meine ich im Finalsatz den "Schloßplatz" der 11. Sinfonie von Schostakowitsch zu hören.

    Die genannte CD hat eine erstklassige Klangqualität. Die Interpretation ist gut genug, um Spaß an dem Werk zu bereiten. Die Dramatik und Spannung könnte an manchen Stellen höher sein, auch was die Dynamik angeht. Auf der anderen Seite ist dies sicherlich keine Sinfonie mit der "lauten" Dramatik einer Sinfonie von Schostakowitsch. Kennt jemand alternative Aufnahmen dieser Sinfonie?

    maticus

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  • Noch ein Nachtrag zur Zwölften.

    Da ich gerade in die "Passagierin" reinhöre, fällt mir auf, dass im Finalsatz der Sinfonie ein Thema verwendet wird, das schon in der Oper vorkam. Nämlich im 2. Akt, 6. Bild. Marthas 20. Geburtstag in der Baracke. Während es in der Sinfonie zu einem glänzenden Höhepunkt getrieben wird (für den allein schon die CD lohnt), gerät es in der Oper in einen nahezu grotesken, rasendschnellen Freudentaumel, der dann von dem martialischen Schlagwerk abrupt unterbrochen wird.

    :spock:

    maticus

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  • Sehr empfehlenswert ist die rein instrumentale 12. Sinfonie, komponiert 1975/76 zum Gedenken an D. Schostakowitsch.
    Kennt jemand alternative Aufnahmen dieser Sinfonie?
    maticus


    Es gibt noch diese Aufnahme der 12. Sinfonie mit dem USSR TV and Radio Symphony Orchestra unter der Leitung von Maxim Schostakowitsch, die im November 1979 aufgenommen wurde:
    [Blockierte Grafik: http://ecx.images-amazon.com/images/I/51pUmhxnwdL.jpg]http://www.amazon.de/Sym-7-12-M-Vai…ywords=vainberg
    Diese Aufnahme kenne ich aber nicht. Ich selbst besitze seit kurzem die Naxos-Aufnahme der 12. Sinfonie, die ich bis jetzt aber noch nicht gehört habe. Aufgrund des bevorstehenden Besuchs der Oper "Die Passagierin" in der Frankfurter Oper hatte ich mir einige Aufnahmen mit Werken von Weinberg besorgt, um mit dessen Musik vertraut zu werden. Die Werke, die ich bis jetzt von Weinberg hörte, haben das Kennenlernen mehr als gelohnt.

    Armin

    "Musik ist für mich ein schönes Mosaik, das Gott zusammengestellt hat. Er nimmt alle Stücke in die Hand, wirft sie auf die Welt, und wir müssen das Bild zusammensetzen." (Jean Sibelius)

  • Diese Aufnahme kenne ich aber nicht. Ich selbst besitze seit kurzem die Naxos-Aufnahme der 12. Sinfonie, die ich bis jetzt aber noch nicht gehört habe. Aufgrund des bevorstehenden Besuchs der Oper "Die Passagierin" in der Frankfurter Oper hatte ich mir einige Aufnahmen mit Werken von Weinberg besorgt, um mit dessen Musik vertraut zu werden.


    Dann mein (naheliegender) Tipp: höre Dir wenigstens das Finale der 12. an, damit Du es in der Oper wiedererkennst.

    maticus
    :sofa:

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  • "Der Idiot" am Staatstheater Oldenburg

    "http://staatstheater.de/programm/premi…/der-idiot.html"

    Die Weinberg-Oper wird noch 3 Mal gegeben (2.Mai, 15. Mai, 17. Juli); die Premiere war Ende Januar.


    Besetzung


    Musikalische Leitung: Vito Cristofaro


    Regie: Andrea Schwalbach


    Bühne und Kostüme: Anne Neuser


    Chor: Thomas Bönisch


    Licht: Ernst Engel


    Dramaturgie: Steffi Turre/ Annabelle Köhler


    Fürst Leo Nikolajewitsch Myschkin: Zurab Zurabishvili

    Nastassja Filippowna : Irina Oknina

    Parfion Rogoschin: Daniel Moon

    Lebedjew: KS Paul Brady

    Iwan Fjodorowitsch Jepantschin: Tomasz Wija

    Jelisaweta Prokofjewna Jepantschina: Melanie Lang

    Aglaja: Yulia Sokolik

    Alexandra: Anna Avakian

    Ardalionitsch Iwolgin (Ganja): Alexander Murashov

    Warwara (Warja): Ute Biniaß

    Afanassij Iwanowitsch Totzkij: Alwin Kölblinger

    Je niedriger der Betroffenheitsgrad, desto höher der Unterhaltungswert!

  • Eine weitere Empfehlung. Eine CD mit vier Konzerten von Weinberg:

    Fantasia für Cello und Orchester Op. 52 (1952-53)
    Konzert für Flöte und Streichorchester Op. 75 (1961)
    Konzert für Klarinette und Streichorchester Op. 104 (1970)
    Konzert Nr. 2 für Flöte und Orchester Op. 148 (1987)

    Alle Werke haben drei Sätze.

    Ich habe lange gezögert, diese CD zu kaufen. Denn Flötenkonzerte sind eher nicht meines, und selbst bei Klarinettenkonzerten (meinem Lieblingsinstrument) bin ich *sehr* wählerisch. Umso angenehmer bin ich überrascht, denn hier liegen vier ausgezeichnete Konzerte vor. Alle Werke sind recht leicht zugänglich.

    Ausgezeichnet gefällt mir die Fantasia, im Prinzip ein Cellokonzert, mit eher dunklen, spätromantischen wehmütigen Tönen. (Moldawische Volksweisen?) Ein schönes Scherzo als Mittelsatz.

    Das Klarinettenkonzert gefällt mir auch sehr. So mag ich den Klang der Klarinette, in allen Registern. Schnelle virtuose Folgen, aber immer wieder diese raumfüllenden, langen "cremigen" Klarinettentöne... David Fanning schreibt in seiner Weinberg-Biographie:

    Zitat

    Das Klarinettenkonzert Op. 104 ist ein Juwel, das noch der Entdeckung harrt. Der Solopart bestätigt Weinbergs Affinität zu dem Holzblasinstrument [...]

    Aber selbst die Flötenkonzerte gefallen mir. Besonders das zweite, weil hier auch das Orchester eine Menge "Pfeffer" mitbringt und die Verwendung der Flöte nicht gerade klassisch ist. Von den ersten beiden Sätze hebt sich der dritte etwas ab, er wirkt deutlich leichter. Es gibt deutliche Anspielungen an Bachs berühmte Badinerie aus der Orchestersuite BWV 1067.

    Klangtechnisch scheint auch alles bestens zu sein (konnte bisher nur die MP3s hören, da die CD noch der Lieferung harrt, aber dies klingt schon gut genug). :jub:

    maticus

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  • Eine weitere Empfehlung. Eine CD mit vier Konzerten von Weinberg:

    Fantasia für Cello und Orchester Op. 52 (1952-53)

    Ausgezeichnet gefällt mir die Fantasia, im Prinzip ein Cellokonzert, mit eher dunklen, spätromantischen wehmütigen Tönen. (Moldawische Volksweisen?) Ein schönes Scherzo als Mittelsatz.


    Lt. Booklet könnten die vielen schönen Melodien der Fantasia alle ihre Ursprünge in Volksliedern haben. Allerdings hat Weinberg selbst dazu keine Erläuterungen gegeben, ob das tatsächlich so ist.

    Armin

    "Musik ist für mich ein schönes Mosaik, das Gott zusammengestellt hat. Er nimmt alle Stücke in die Hand, wirft sie auf die Welt, und wir müssen das Bild zusammensetzen." (Jean Sibelius)

  • Kann zufällig hier jemand etwas zu den Aufnahmen sagen, die im Umfeld der Bregenzer Uraufführung der "Passagierin" entstanden und bei NEOS als "Weinberg-Edition" veröffentlicht wurden?

    Danke im Voraus und LG - C.

  • Noch eine Korrektur zur Fantasia: sie ist einsätzig, und nicht dreisätzig (wie ich schrieb). Auf der CD ist sie in drei Nummern eingeteilt, die musikalisch auch Sätze sein könnten. Der mittlere ein Scherzo, der kurze dritte eine Reminiszenz an den romantischen, ersten Teil.

    Alle Werke mit Cello von Weinberg gefallen mir außerordentlich gut. Das gilt auch für die Sonaten für Cello und Klavier bzw. Cello solo auf der in Beitrag #18 genannten CD

    die ich schon länger besitze und recht häufig mit großem Genuss höre.

    Das viersätzige Cellokonzert Op. 43 von 1948, auf dieser CD

    gefällt mir sogar noch besser als die Fantasia. Es ist ähnlich romantisch (besonders der erste Satz (Adagio)) wie die Fantasia, jedoch abwechslungsreicher und formal etwas strenger gestaltet. Der zweite Satz (Moderato - Lento) ist lebhafter, hat aber ebenfalls eine wehmütige Grundstimmung. Zwischendurch gibt es marschartige Passagen, die durch gestopfte Trompeten einen leicht beklemmenden Beigeschmack haben. Weitesgehend ausgelassen ist der dritte Satz (Allegro) und bietet dem Cellisten Gelegenheiten, Virtuosität zu zeigen; er endet mit einer Kadenz. In der Mitte des Satzes eine sehr zärtliche, intime Passagen. Das Finale (Allegro - Adagio - Meno mosso) steigert sich zur Mitte hin mitreißend, ehe es in der Schlussphase mit einer Rückschau auf den ersten Satz besinnlich verklingt. Sehr sehr schön!

    Das Konzert wurde in der schwierigen Zeit 1948 geschrieben. Es wurde erst am 9. Januar 1957 uraufgeführt, von Rostropowitsch und der Moskauer Philharmonie unter Samuil Samosud.

    Ganz anders ist die Sinfonie Nr. 20 Op. 150 aus dem Jahr 1988. Sie ist Fedossejew und dem Radiosinfonieiorchester Moskau gewidmet. Die fünfsätzige Sinfonie dauert etwa 40 Minuten. Zwei je gut 12-minütige, langsame Ecksätze umrahmen drei kurze, schnellere Mittelsätze. Die Stimmung der Ecksätze ist sehr verhalten, niedergeschlagen, größtenteils hoffnungslos. Vergleichbar etwa mit der Achten Sinfonie von Schostakowitsch (erster und vierter Satz). Dennoch sind diese Sätze nicht ohne Schönheit. Der zweite Satz, das erste Scherzo, könnte fast ein mahlerscher Ländler sein. Der Mittelsatz ein gespenstisch anmutendes Intermezzo. Fantastisch! Der mit Abstand kraftvollste Satz ist das zweite Scherzo. Dies ist in seiner fortschreitenden, drängenden Art und dem Einsatz des Schalgwerks vergleichbar mit der Toccata aus der Achten von Schostakowitsch oder dem Säbeltanz von Chatschaturjan. Insgesamt eine sehr hörenswerte Sinfonie! Mir gefällt sie sehr gut. Damit ist die CD höchstgradig empfehlenswert! Toll, dass hier Chandos und Naxos so viel Initiative bei der Einspielung von Weinbergs Werken zeigen.

    Der folgende Text, der auf der Rückseite der CD-Hülle abgedruckt ist, könnte sozusagen Weinberg in a Nutshell sein:

    Zitat

    Born in Poland into a Jewish family, Mieczysław Weinberg fled before the German invasion in 1939 and spent most of his working life in the Soviet Union where he was a friend and neighbour of Shostakovich who did much to champion his music. He was working during the worst of the Stalin era and was only saved by Stalin's death in 1953. He went on to live another forty-three years but his music has not been widely known or performed until relatively recently. Weinberg wrote a fine body of symphonic music as well as operas and ballets.

    maticus

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    Wenn ringsum nur Schande herrscht und nur Zerstören,
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