Mittlerweile hat Chandos eine weitere CD mit Weinberg-Sinfonien veröffentlicht:
Ganz besonders freue ich mich natürlich darüber, dass hier mit der Dritten eine Weinberg-Sinfonie eingespielt wurde, die vorher wirklich noch völlig unerschlossen war: weder auf CD noch auf LP veröffentlicht, und auch von irgendwelchen inoffiziellen Mitschnitten weiß ich nichts. Das gilt ebenfalls für das zweite Werk auf dieser CD: Olympia hatte seinerzeit zwar eine CD mit Suiten aus dem Ballett "Der goldene Schlüssel" im Sortiment, die aber aus der Suite Nr. 4 nur einen kurzen Ausschnitt enthielt (dafür die ersten drei Suiten komplett – die gesamte vierte Suite passte wohl nicht mehr auf die CD).
Selbstverständlich habe ich mir die CD in der Zwischenzeit gekauft (bis Mittwoch ist sie übrigens noch zum reduzierten Sonderpreis zu haben!), und bin erneut sehr angetan. Weinbergs Dritte Sinfonie entstand in den Jahren 1949/50, einige Jahre später hat er noch einmal einige Revisionen durchgeführt. Nun sind die Jahre nach dem bekannten ZK-Beschluss von 1948 über Formalismus in der Musik usw. bis etwa Mitte der 1950er Jahre vermutlich die Periode in der sowjetischen Musikgeschichte, in der der Einfluss der Politik auf die Musik am unmittelbarsten spürbar ist.
Auch in Weinbergs Sinfonie Nr. 3 hat diese Situation ihre Spuren hinterlassen: ein recht konservatives Werk, das auf Folklore (aus Polen und Weißrussland) zurückgreift. Trotzdem bleibt Weinberg authentisch, seinem eigenen Tonfall treu, und komponiert ein niveau- und geschmackvolles Werk, dessen Grundstimmung im Übrigen ohnehin eher gedeckt ist (Haupttonart ist h-moll). Der erste Satz zeichnet sich unter anderem durch eine gleich zu Beginn vorgestellte murmelnde Bewegung in den Violinen aus. Vor diesem Hintergrund entwickelt sich ein Sonatenallegro mit sehr einprägsamer Thematik (die teilweise auf Volksliedern beruht). Am Ende lässt Weinberg den musikalischen Fluss in einer ruhigen und langsamen Coda zum Stillstand kommen.
Es folgt ein kurzes folkloristisch dominiertes Scherzo sowie ein dunkler, ebenso lyrischer wie ausdrucksvoller langsamer Satz in c-moll, dessen atmosphärische Dichte mir besonders gut gefällt. Das Finale schließlich ist bei aller Eingängigkeit und Entschlossenheit ein m. E. bemerkenswert grimmiger Satz, jedenfalls kein plakativ-optimistischer Abschluss, den man in einer sowjetischen Sinfonie dieser Zeit vielleicht vermuten könnte. Erst kurz vor Schluss bewegt sich die Sinfonie dann doch auf eine Aufhellung hin, aber ein Rest an Ambivalenz bleibt letztlich bestehen.
Meiner Meinung nach hat Weinberg hier eine sehr hörenswerte und attraktive Sinfonie komponiert, und es ist wirklich ausgezeichnet, dass sie nun endlich auf Tonträger erhältlich ist.
Sehr gut hat mir auch die Ballettsuite gefallen, was mich etwas überrascht hat, weil der Funke von der oben genannten Olympia-CD (die ich natürlich auch habe) bisher noch nicht so richtig übergesprungen war. Aber das ist ohne Zweifel charmante, gut gemachte und einprägsame Musik, die als solche wirklich Spaß macht. Schade nur, dass die CD bloß 50 Minuten Spieldauer hat!
Interessant finde ich übrigens, dass die neuen Weinberg-Veröffentlichungen von Chandos nun alle von Thord Svedlund dirigiert werden. Ob Gabriel Chmura ganz aus der Serie heraus ist? Wie auch immer, so kann's weitergehen... Und vielleicht haben wir in absehbarer Zeit ja doch endlich alle Weinberg-Sinfonien auf CD vorliegen.
Viele Grüße
Holger